Keine Klassenfeinde, keine „Homolobby“, keine Banker_innen, Lobbyist_innen oder andere „Großmächte!“
Zur Begrifflichkeit einer vereinfachten Kapitalismuskritik:
Nicht jede Kritik am System der kapitalistischen Vergesellschaftung ist fortschrittlich.
So wie der Antikapitalismus der Nationalsozialisten nicht ernst genommen wurde, so wenig wird heutzutage eine reaktionäre Kritik an der bürgerlichen Gesellschaft zur Kenntnis genommen, wie sie z.B von Neonazis formuliert wird. Es geht nicht um die Bewahrung der Errungenschaften der Aufklärung und der bürgerlichen Demokratie, sondern darum, ein vormodernes Gesellschaftsideal zu etablieren. Die befreite Gesellschaft* Inder nicht gegen Individualismus, westliche Dekadenz und das Finanzkapital gehetzt wird.
Die Kritik am Finanzkapital steht meist im Zentrum einer regressiven Kaptialismuskritik, was die Totalität des kapitalistischen Systems verkennt. Bei Nazis zeigt sich im “raffendem Kapital” und “schaffendem Kapital”. Das “raffende Kapital” wurde mit den Jüd_innen in Verbindung gebracht, als bodenlos und kosmopolitisch verleumdet. Dies ist die offene Flanke zum Antisemitismus. Das heißt nicht, dass jede Kritik an der Börse o.ä. antisemitisch sei. Dennoch läuft eine Hetze gegen “die da oben” immer Gefahr, die Systemkritik zu personalisieren und dadurch die kapitalistische Vergesellschaftung nicht als „gesellschaftliches Verhältnis“ (Marx) mit abstrakten Zwängen zu begreifen, sondern die konkreten Akteure als persönlich Verantwortliche für Elend, Armut und Ausbeutung auszumachen.
Eine Welt die sich in „Gut und Böse“ einteilt, um sich dann auf die Seite der vermeintlich Unterdrückten zu stellen ignoriert somit die geopolitschen und komplexen Verhälltnisse und es entsteht der Glaube einer moralischen Überlegenheit.
Antisemitismus, mitten in der Gesellschaft und nicht nur rechtsaußen:
Ein großer Teil der internationalen Gemeinschaft hat Israel als ihren Hauptfeind erwählt und auch in Deutschland sind antisemitische Übergriffe wieder im kommen. Unter einer derartige Konstellation und der historischen Notwendigkeit eines jüdischen Staates nach der Shoa, sollte eine Solidarität mit dem einem Schutzraum für Jüd_Innen zum Standard eines jeden Menschen gehören.
Israel ist dort Herrschaft und Befreiung in einem: Alle Staaten sind Staaten des Kapitals, und alle haben sie den Zweck, den Fortgang der Kapitalakkumulation in ihrem Herrschaftsbereich sicherzustellen – Israel bildet da keine Ausnahme.
Darüber hinaus – und sogar in erster Linie – hat der Staat Israel aber eine Aufgabe, die ihn von allen anderen Staaten unterscheidet: Der Staat der Jüd_innen wurde gegründet, um das Leben der Jüd_innen vor den Angriffen diverser Antisemit_innen zu schützen – sie macht auch den Erfolg der zionistischen Idee zur Existenzbedingung für die Überlebenden. Lange nicht alle Jüd_innen sind Bürger_innen Israels oder wollen das werden, aber alle Jüd_innen haben seit 1948 einen Ort, der sie aufnehmen wird, wenn sie verfolgt werden; einen Ort, an dem sie bedingungslos verteidigt werden, wenn sie massiven Bedrohungen ausgeliefert sind.
Denn die Geschichte antisemitischer Verfolgung endete nicht mit der Niederschlagung des Nationalsozialismus und gerade in Deutschland offenbaren sich immer wieder traditionelle Denkmuster, die den antisemitischen Konsens der breiten Bevölkerung verdeutlichen.
Die fortlaufende Infragestellung des israelischen Staates ist immer antisemitisch konnotiert und stellt somit immer wieder auch das Leben von Jüd_innenn in Frage. Die Verneinung auf Verteidigung liefert Jüd_innen wieder der Willkür antisemitisch geprägter Gesellschaften aus und zum anderen auch der direkt propagierten Vernichtung, sowie dem bekannten antisemitischem Terror.
Einseitige „Kritik“ an Israel ist – gerade in Deutschland – beliebt. Während niemand gegen die Angriffe mit Kassam-Raketen oder Selbstmordattentate demonstriert, ist jedes tatsächliche oder vermeintliche „Vergehen“ Israels ein Grund für negative Berichterstattung oder die nächste „antizionistische“ Demonstration. Während die Offensive im Gazastreifen ein hohes Maß an medialer Aufmerksamkeit auf sich zieht, bleiben die zahllosen Kriege in anderen Weltregionen weitgehend unbeachtet. Es scheint also weniger um das Leid der betroffenen Menschen in Gaza zu gehen, als oft darum, Israel zu „kritisieren“. Somit handelt es sich um einen antisemitischen Reflex.
Es muss dagegen festgehalten werden, dass der Staat Israel eine Notwendigkeit ist, solange die Welt nationalstaatlich organisiert ist und solange es Antisemitismus gibt. Dies schließt natürlich die Verteidigung des jüdischen Staates mit Waffengewalt ein.
Die Judenverfolgung als solche, die ihren Höhepunkt bekanntlich in Auschwitz fand und geschichtsperspektivisch niemals endete, verweist also bis heute auf die Notwendigkeit der Auseinandersetzung, der Entstehung und der Ursache eines scheinbar nie untergehenden Antisemitismus. In der Aufarbeitung des Nationalsozialismus, geht es bis heute oft darum, das auf der Hand liegende Subjekt von sich zu schieben. Von: „Opa war kein Nazi!“ bis „ Wir wollen davon nichts mehr hören!“ driftet ein Großteil der deutschen Bevölkerung in tiefsinniges Schweigen ab. Ob mit voller Absicht oder Unbewusst, reproduzieren sie damit oft bestehende Antisemitismen. Die typische scheinbare Leidensfigur der bösen Alliierten, der zivilen Opfer, die Unwissenheit, dem Vergleich zu anderen Geschehnissen und des deutschen Leidens zeigt die Abwehrhaltung eines Menschen, der die von den Nazis begangenen Verbrechen reinwaschen will. Ebenso das was begangen war, nun doch als Unrecht empfindet und darum abwehrt. Wäre dies aber nicht der Fall, so bräuchte man nicht den Eifer einer Distanzierung.
Kommt man nun einmal auf das Thema Israel zu sprechen, fühlen sich viele Menschen befreit von Ihrer Verantwortung, die sie selber als nachkommen womöglich ziehen müssten. In allem ergibt sich, dass das Wort: „Jude!“ durch „Zionist!“ ersetzt wurde, indem Falle man nun endlich auch einmal die „Zionisten“ angreifen könne, ohne dabei ein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Diese Israelkritik verbreitet sich immer mehr, zu einer antizionistischen Weltanschauung, die schnell eine Gleichsetzung von Zionismus mit dem Nationalsozialismus beinhaltet. Bis heute ist es also im kommen „die da oben“, die Großbanker, Kriegstreiber oder Schänder der „Nationalen Identität“ anzugreifen. Wer denn mit „die da oben“ im Sinne gemeint ist, ist vielen dann schnell dann doch nicht mehr klar. Zieht man Bilanz bewahrheitet sich somit oftmals das Paradigma: „Das vor allem die deutsche Mehrheitsbevölkerung den Juden Auschwitz niemals vergeben wird.“
Die KZ inhaftierte Jüdin Hana Lévi-Hass schrieb dazu in ihrem Tagebuch:
„ In uns lebte die unklare Vorstellung, nach Auschwitz müsse alles anders, besser werden. Die Menschlichkeit würde unsere Erfahrungen als Lehre aufnehmen. Dann mussten wir spüren, dass sie sich gar nicht dafür interessiert. Leeres, aufdringliches Mitleid, das wir stattdessen fühlen, gleicht nur zu oft einer Flucht in konventionelle Gefühle – ja erweckt den Eindruck von Unehrlichkeit.“
„Ich möchte gerne wissen, was uns fähig macht, hier so ruhig dieser Erzählung zuzuhören und dabei so zu tun, als hätten wir einen klaren Kopf. Ich möchte wissen, wie wir zu solch einer Leistung fähig werden, wo man eigentlich heulen müsste. Wie können wir den Leuten vorwerfen, dass sie damals nicht geweint haben, als ihre Nachbarn verschleppt worden sind, wenn wir hier selbst so kühl und gelassen sitzen.“